ADHS,  Kinder

Hausaufgaben – der tägliche Wahnsinn

Zur Zeit geistert ja der Herr Sarrazin mit seiner Forderung das Kindergeld zu halbieren, wenn die Hausaufgaben nicht erledigt werden, durch die Nachrichten. Dabei setzt er die Grenze meines Erachtens mit 2-maligen Vergessens recht niedrig an.

Ich kann diesen Mann leider nicht ganz ernst nehmen, doch andererseits verstehe ich auch irgendwie seine Beweggründe. Wir haben ja in unserer Grundschulklasse einen recht hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund. Und ja, es ist auffällig, dass diese recht schlecht in der Schule sind und dass diese auch oft keine Hausaufgaben machen. Ich will jetzt Niemanden über einen Kamm scheren, deswegen schreibe ich nun nur noch über die Kinder, über die ich genaueres weiß:

Es gibt einen russisch-stämmigen Jungen, dessen Mutter tagsüber arbeiten musste. Er ist in der 2. Klasse bereits sitzen geblieben und als ich ihn mal bei mir zu Hause bei den Hausaufgaben hatte, ging er in die 3. Klasse. Er war bemüht, doch musste er an diesem Tag ca. 10 Hausaufgaben nachholen. Meist weil diese unvollständig oder sehr falsch waren. Dies hatte bei ihm folgende Gründe – seine 15-jährige Schwester hat ihn beaufsichtigt (und war überfordert) seine Mutter war in der Arbeit und zusätzlich spricht seine Mutter auch kein Deutsch.

Ich habe mich darauffolgend eingemischt und seitdem geht dieser Junge in die Hausaufgabenbetreuung an der Schule und ist nun ein guter Schüler.

Hier verstehe ich Herrn Sarrazin, dass er meint sich da teilweise einmischen zu müssen. Denn die Probleme mit den Jugendlichen kommen ja auch nicht von ungefähr und je früher wir hier helfen oder die richtigen Maßnahmen einleiten umso besser. Doch die  Kürzung des Kindergeldes ist die falsche Maßnahme. Ich wäre davon auch betroffen.

Diese Woche war mit dem Kleinen besonders schlimm. Vor allem die Hausaufgaben. Okay, normalerweise ist es nicht gar so schlimm, aber was diese Woche war haben wir sicher im Monat locker zusammen. Hier mal eine Auflistung:

  • Montag – Hausaufgabenheft irgendwo verschlampt, weiß aber auch nicht genau was er aufhat. Also Spaziergang zur Schule und die Hausaufgaben nochmal abschreiben. – Alle gemacht hoffentlich
  • Dienstag – Alle Hausaufgaben gemacht – zumindest die die er heute sogar aufgeschrieben hat – (Hausaufgabenheft fehlt noch immer – Ersatzhausaufgabenheft dabei) Heute sogar mit Zusatzaufgabe, da er in der Schule nicht mitgemacht hat. 1. Unterschrift der Woche geleistet, wegen mangelnder Mitarbeit.
  • Mittwoch – wie üblich keine Hausaufgaben auf – ah doch Lernen. Und ihm ist noch eingefallen, dass er gestern nicht Englisch aufgeschrieben hat und dies auch noch machen sollte- Gott sei dank, war heute kein Englisch, sonst wäre schon wieder eine Unterschrift fälltig geworden
  • Donnerstag Hausaufgaben schon wieder nicht aufgeschrieben, da das Ersatzhausaufgabenheft nun auch weg ist. Er weiß aber angeblich alles, was er aufhat. Im Heft ist die 2. Unterschrift nun doch fällig, da er am Dienstag nicht alle Hausis aufgeschrieben hat und wir nun diese nachholen dürfen – Probe auch geschrieben – ging schlecht, hat zuwenig gelernt. (KopfaufdenTischschlag zum 1.) Langsam auch mißtrauisches Nachfragen: Hast Du sicher heute alle Hausis aufgeschrieben????? Hast Du das Geld fürs Kino abgegeben? Nein, ich habe einen Teil verloren, bzw. ich hatte nicht genug Geld dabei. ???? Da fehlen doch nur 30 ct. Du hattest 1€ und ein 2€ Stück – wie geht das? – Ich habe noch Geld mitgenommen (trotz Verbot) (Der Kopf landet wieder auf dem Tisch) – Nun gut ja, dann mach jetzt wenigstens die Hausaufgaben – Ähm stopp: wie willst Du die Aufgabe ohne das Lesebuch machen? – Ich weiß sie auswendig ???Das hoffe ich nun wirklich, denn es ist mittlerweile 15 Uhr und die Schule zu. – Als Strafe: Kinderzimmer aufräumen

Oh Wunder – das 1. Hausaufgabenheft ist nun wieder da – es war hinter dem Bett. Oh Wunder zum 2. : das Ersatzhausaufgabenheft ist auch da – es war in einem Buch, welches in einem Heft, welches in der Mappe war – versteckt.

Jetzt bemühen wir uns wirklich mit den Hausaufgaben. Ich sitze bei den Hausaufgaben täglich dabei und kontrolliere sie auf Vollständigkeit (soweit mir bekannt), auf Richtigkeit und auf Leserlichkeit. Wir brauchen oft ewig lange für diese Arbeiten – typisch ADHS halt  (mit Tabletten geht es etwas besser aber nicht viel).

Mein Kleiner hat einfach keine Lust mehr auf diese Schule, will diese Sachen nicht für die Lehrerin lernen und will einfach nicht. Dass er für sich selbst lernt und es nur für ihn ist – geht nicht in seinen Sturschädel rein.

Ich kann ihn auch nur soweit unterstützen, denn ich bin nicht in der Schule dabei und ich werde nicht jeden Tag in die Schule gehen um dort die Hausaufgaben für ihn abzuschreiben und zudem werden wir auch nicht jeden Tag einen Klassenkameraden anrufen. Er muss lernen, selbst dafür zu sorgen, dass er weiß was er braucht und was er aufhat.

Herr Sarrazin, ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten:

Sie übernehmen für 1-2 Wochen die Hausaufgabenbetreuung meines Kleinen. Wenn Sie es schaffen, dass er alle Hausaufgaben macht und diese sauber und ordentlich sind – dann können Sie gerne weiterhin auf dem Standpunkt stehen bleiben – 2 mal Hausaufgaben vergessen – Kindergeld kürzen. Doch wenn Sie es nicht schaffen- vielleicht können Sie sich dann überlegen, wie Sie diese arbeitsintensiven und somit auch kostenintensiven Kinder vernünftig unterstützen können.

P.S. Hausaufgabenbetreuung kommt nicht in Frage, da unser Kind dann erst recht wenig oder schlecht die Hausaufgaben macht und wir dann Zuhause noch nacharbeiten müssen – die Ablenkung ist einfach zu groß.

P.S.S. Dieses Angebot gilt für alle Politiker – denn vielleicht kann so mal das Schulproblem wirklich verstanden und dann angegangen werden. Ich verweise noch zudem auf Sylvia – bei denen der Schulwechsel ansteht – sie haben ähnliche Problem: Intelligentes Kind mit ADHS – ohne Alternative und ohne Unterstützung – nur Richtung Abstellgleis.

Überlegen Sie doch alle mal, welche Resoucen wir da verschenken. Es sind meist überdurchschnittlich intelligente Menschen, die von dem momentanen Schulsystem nach unten durchgereicht werden und oft so demontiviert sind, dass sie auch später nicht mehr weiterlernen – denn die negativen Erfahrungen sitzen zu tief.

5 Kommentare

  • Frau_Mahlzahn

    Das Problem mit den Hausis kenne ich auch von meiner Ältesten — sie hatte ein sehr langsames Arbeitstempo und hat eine happige Lese-Rechtschreibschwäche. Und schon in den ersten Volksschulklassen immer mächtig viel auf! Als ich mich bei den Lehrerinnen beschwerte, zuckten die nur die Schultern und sagten, selber Schuld, sie müsse eben immer so viel verbessern, und (da wäre ich den Tussen fast ins Gesicht gesprungen) sie könne es ja gerne in der Hofpause machen, aber das wolle ich ja nicht… Es gibt einen Grund, aus denen mein Sohn jetzt auf eine andere Volksschule geht. Da gibt es jeden Tag nur entweder rechnen oder schreiben, es ist überschaubar — und es geht ohne Stress… Gleiches Schulsystem, nur die eine Schule hat den Ehrgeiz, möglichst viele Gymnasiasten auszuspucken (und darüber wird schon in der ersten Klasse gesprochen), die andere… spuckt genauso viele aus, schaut aber mehr auf die Bedürfnisse der Kinder. Ich persönlich glaube, dass innerhalb des bestehenden Schulsystemes schon viel Verbesserung möglich wäre ohne dass man erst große Reformen darum bemühen muss. Aber dafür braucht es engagierte, aufgeschlossene Pädagogen — und auch die passenden Eltern. In der Klasse meines Sohnes experimentieren sie gerade mit einer Art Familienklasse und ich vermute, dass sie das gewagt haben, weil sie von der Vorschulklasse letztes Jahr wussten, dass wir Eltern da sehr aufgeschlossen sind und das mittragen würden.

    Bei uns gibt es recht viele Migrantenkinder, deren Familien schon sehr lange hier leben, die Kinder sind hier geboren — sprechen aber trotzdem kein oder nur kaum Deutsch! Obwohl die Mütter meistens zu Hause sind, aber die werden halt schön unter Verschluss gehalten.

    Dafür habe ich kein Verständnis und da denke ich gelegentlich schon, dass härter durchgegriffen werden muss. Ich dachte zum Beispiel an drastische Kürzungen der Familienbeihilfe, wenn die Kinder bei Schuleintritt nicht ausreichend Deutsch sprechen. Ich persönlich denke auch, dass man Migranten Deutschkurse abverlangen kann — das Thema Integration ist einfach zu existentiell geworden, als dass man es weiter schleifen lassen kann. (Und ich bedauere es sehr, dass die linken und halblinken Parteien das Thema so komplett den Rechten überlassen!).

    So long,
    Corinna

    • Mella

      Danke Corinna,
      für diese schöne Ergänzung zu meinem Artikel. Ich glaube da könnte man fast eine Serie draus machen 😉
      Schade dass es bei uns mit dem Schulwechsel nicht möglich ist – hier bist Du in dem Sprengel drin, bis du umziehst – bei Eigentumswohnung eher schlecht 🙁

  • Andi B.

    Da wollte her Sarrazin wohl wieder einmal in die Medien kommen, anders kann ich mir das nicht erklären. Denn selbst er müsste doch wissen, das Leistungskürzungen nicht zu mehr Hausaufgaben führen und der absolut falsche Weg sind. Das trifft dann wieder die Familien, in denen das Geld sowieso knapp ist, zum Beispiel Alleinerziehende, denen das Kind versichert, die Hausaufgaben in der Nachmittagsbetreuung im Hort gemacht zu haben. Kein Wunder, dass sein Ortsverein den Parteiausschluss ins Gespräch gebracht hat.

  • Bonafilia

    Oh….noch eine Mutter die ihr bestes gibt und immer wieder mit dem Kopf auf der Tischkante landet.
    …MIR geht es genauso und das bereits seit 10 Schuljahren, es ist ein langer Weg unsere Kinder mit ADHS durch die Schule zu begleiten und ein beschwerlicher dazu ob wir den richtigen Weg eingeschlagen haben werden wir nicht erfahren da wir die anderen Wege nicht kennen…der Weg wird ein langer sein…wir sind nicht alleine, unser Kind begleitet uns.
    Schulunlust, Hausaufgabenvergesslichkeit und eine überdurchschnittliche Intelligenz zeichnet unsere Kinder aus, das heißt nicht das sie nicht auch Ihren Weg finden werden…..nur ist der nicht so frisch asphaltiert sondern sehr uneben und beschwerlich!

    • Mella

      Sie nehmen zwar nicht den einfachen Weg aber den landschaftlich schöneren *hust*. Zumindest versuche ich mir das einzureden, wenn ich mich mal wieder frage, warum er jetzt zurückgeht und dann nochmal eine neue falsche Abzweigung ausprobieren muss…..:-)

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