Kinder

Neonazis

Es gibt Situationen in der Erziehung, da könnte es zu spät sein. Vorherige Anzeichen sind so gering, dass sie schnell übersehen werden. Und wenn man doch glücklicherweise den Anzeichen nachgeht, dann tun sich manchmal erschreckende Abgründe auf. Vor so einen Abgrund stand ich vor einer Zeit beim Großen:

In der Schule hatten sie einen Film über Hitler/Nazis, keine Ahnung was, gesehen. Dieser Film hieß „Der Junge im Pyjama“. Ich kenn den Film leider nicht und in der Schule wurde zum Schuljahresende die Klasse mit dem Film ruhig gestellt und das Thema nicht wirklich besprochen. Anscheinend wurden zum Ende des Films einige Leute in die Gaskammer geführt.

Zum Mittagessen kam irgendein blöder Witz vom Großen zum Vergasen. Auf meine Frage, ob es wirklich so lustig sei, hat er zwar verneint, aber im darauffolgenden Gespräch kam heraus,dass er nicht daran glaubt, dass dies wirklich so geschehen sei.

Nur weil nicht wirklich die Schauspieler für den Film getötet wurden, heißt das noch lange nicht, dass dies nicht doch so passiert sei.

Aber…..

Ja aber Eltern glaubt man nicht.

Am nächsten Tag, vor dem Rathaus eine Kunstskulptur mit offenen Armen. „Wow, schau mal der Hitlergruß!“ Aber erstens war er das nicht und wieso und überhaupt, wie kommst Du darauf.

Diese kleinen Anzeichen liesen mich aufhorchen und ich dachte ein wenig Infos zu dem Thema könnten nicht schaden.  Nun ist es aber so, dass ich jetzt kein Geschichtslehrer bin, ich auch nicht weiß, wie ich diese schwere Kost kindgerecht – äh 12-jährigengerecht vermitteln soll. Oma/Opa haben den Krieg als Kind eher beschützt/behütet erlebt und sonstige Informanten haben wir nicht.

[aartikel]3473580031:right[/aartikel]Als ich etwa in seinem Alter war, haben wir in der Schule „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ gelesen. Ich dachte, es wäre eine schöne kindgerechte Möglichkeit ihn an das Thema heranzuführen. Doch wie das Schicksal so spielt, war es gerade in der Bibliothek ausgeliehen. Wir hatten aber das Glück an eine wirklich nette un hilfsbereite Bibliothekarin zu geraten, die uns weitere Literatur dazu anbot.

Eines der Bücher möchte ich demnächst hier noch genauer vorstellen. Es war ein Buch über die Naziparolen und wie man diese wiederlegt. Dies habe ich irgendwo aufgeschlagen und dem Großen in die Hand gedrückt. Hat Hitler wirklich Menschenversuche gemacht?

Ich habe mich noch mit der Bibliothekarin unterhalten und unser Großer hat bereits in der Bibliothek angefangen zu lesen und hat zu Hause das Buch nicht aus der Hand gelegt.

Der Abgrund den ich anfangs erwähnte, zeigte sich als ich ihn fragte, ob er einige dieser „Thesen“ kennt und von ihm ein „Ja, einige“ kam.

Fazit

12-jährige bekommen schon vieles über die Nazizeit  mit, viele Unwahrheiten, halbwahrheiten und sie reimen sich auch vieles zusammen. Zudem liegen viele Taten außerhalb ihres Vorstellungsvermögens unserer Kinder, so dass sie wirklich der Meinung seien, dass sei Fantasie. Ein Gruselmärchen, aus Filmen, Videospielen oder Büchern entsprungen. Sie sind deshalb oft empfänglich für Neonazi-Parolen.

In der Schule wird das Thema erst ab der 9. Klasse behandelt. Viel zu spät um eventuell schon gekeimte Samen und falsch beeinflusste Kinder wieder auf den richtigen Weg zu bringen.

Dies alles ist vor den Sommerferien passiert. Unser Großer hat sich eingehend mit dem Buch weiter beschäftigt und noch ein zwei andere Bücher zu dem Thema mal angeblättert. Es ist ihm klar geworden, dass es damals wirklich eine schreckliche Zeit war und nach einigen Beiträgen im Fernsehen, die zufälligerweise zu dieser Zeit liefen, war es ihm auch klar, dass dies anscheinend wirklich so passiert ist. Ich glaube und hoffe jetzt mal, dass wir die Kurve noch rechtzeitig gekratzt haben und wichtig war wohl auch, dass wir das Thema nicht hochgespielt haben, denn dann wäre es wohl wirklich interessant geworden.

5 Kommentare

  • Iris

    Hallo Mella,

    der Film „Der Junge im gestreiften Pyjama“ ist die Verfilmung eines autobiographischen Jugendbuches und das sollte man den Kiindern auch klar machen, wenn man ihn zeigt. Er wurde im letzten oder vorletzten Schuljahr vom für die Schulen zuständigen Bundesministerium an die Schulen verteilt und hat auch irgendwelche Preise bekommen – wie ich finde zu Recht. Ich selbst habe ihn auch außerhalb des Unterrichtsstoffes mit 7. und 8. Klassen angeschaut und hatte danach nicht damit zu tun, den Wahrheitsgehalt des Films klarzustellen, sondern völlig aufgelöste Kinder wieder aufzubauen, denen die Schlußszenen, also der Weg in die Gaskammer, einfach emotional zu viel waren. Zweifel am historischen Ablauf hatte da keiner. Darum bin ich etwas überrascht, dass es anscheinend auch Schüler gibt, die das für Fiktion halten. Vielleicht schützen sie sich ja dadurch vor der grauenhaften Wahrheit. Es ist aber eigentlich schlecht möglich, weil es im Film nämlich einige Protagonisten gibt, die anfangs auch glauben, dass entsprechende Gerüchte üble Nachrede sind, dann aber Schritt für Schritt mit der Realität bis hin zur Gaskammer konfrontiert werden. Und die Sache ist eigentlich so konzipiert, dass dem Zuschauer zeitgleich die Augen aufgehen, wenn er nicht sowieso schon informiert ist.

    In Berlin werden in der 5. Klasse gemäß Rahmenplan Bücher wie „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, „Damals war es Friederich“ oder „Ab heute heißt du Sarah“ gelesen und da wird auch altersgerecht die Zeit erklärt. Das fand ich eigentlich immer schon etwas heftig, aber am Ende zahlt es sich aus, obwohl es trotz aller Aufklärung immer Leute gibt, die nichts ernst nehmen.

    • Mella

      Hallo Iris, hier glaube ich sieht man den Unterschied zu Berlin. Bei Euch in der Stadt lebt die Geschichte, vor allem um die Zeit herum. Bei uns ist es noch eine gewisse „heile Welt“. Daher glaube ich es einfach mal so, dass es für den Großen einfach unvorstellbar ist, dass dies wirklich passiert ist. Komplett außerhalb seiner Vorstellungskraft. Etwas was eigentlich nicht in echt geschehen sein kann, eben weil es so grausam war.

      Wenn der Film wirklich so krass ist, wie Du sagst, dann finde ich es doppelt so falsch eine 6. Klasse damit „ruhig zu stellen“ ohne danach das Thema aufzuarbeiten.

  • Iris

    Da hast du vollkommen Recht, Ruhigstellen mit so einem Film geht gar nicht. Er MUSS vorher oder hinterher begleitend besprochen werden, egal ob es darum geht, die Erschütterung aufzufangen oder eben historische Dinge zu klären. Ich finde es auf jeden Fall in einer 6. Klasse zu früh, eigentlich auch in der 7. noch, denn der Film ist wirklich krass und ich kann mich erinnern, dass ich selbst beim ersten Anschauen mit den Tränen kämpfen musste vor versammelter Klasse. Aber das hätte mir keiner übel genommen. Die Altersempfehlung der FSK war glaube ich bei 12 Jahren und ist mir da eingentlich immer noch zu niedrig.

    Die Reaktion, sowas einfach nicht als historisch wahr zu begreifen, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass es in rein fiktionalen Filmen gelegentlich ähnlich zugeht oder eben wie du schon sagst es völlig außerhalb der Vorstellungskraft liegt, das als real zu begreifen. Bei älteren Jugendlichen habe ich dann immer oft das Gefühl, sie sind mit dem Thema total übersättigt und lehnen es manchmal deshalb ab, was ich auch irgendwie nachvollziehen kann.

  • Rico

    Einen solchen Film den Kindern einfach ohne Kommentar vorzusetzen, damit sie ruhig sind, ist schlicht verantwortungslos.
    Zumal gerade Jungs in dem Alter oftmal die Dinge verharmlosen, um möglichst cool rüberzukommen. Kontext und eine richtige Einführung von Seiten des Lehrpersonal sollten unbedingt gegeben werden.
    An deiner Stelle würde ich mal mit der Schule in Kontakt treten und ein Gespräch fordern, denn so etwas sollte nicht vorkommen.

    • Mella

      Eigentlich bin ich froh darüber. Denn so kam er mit den Fragen zu mir und ich konnte die Richtung bestimmen. Die Thesen hatte er ja bereits von anderen Kindern gehört und diese sind nun (von mir mithilfe des Buches) an die richtige Stelle gerück worden und er nimmt das nicht mehr ernst.

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