Kinder

Früher war alles schöner

Zumindest empfinde ich so, wenn ich an meine Kindheit denke.  Nicht, dass ich eine schöne Kindheit gehabt hätte, ich war der Aussenseiter und der Looser. Nein was mir in der heutigen Zeit fehlt, ist die Freiheit die wir damals gehabt haben.

Speziell aufgefallen ist es mir, als ich den Film „Wer früher stirbt ist länger tod“ gesehen habe. Ich bin in der gleichen Zeit in der gleichen Gegend aufgewachsen.

Und meine Söhne sind dem Hauptdarsteller nicht so unähnlich, zumindest der Kleine nicht.

Doch wo dieser sich früher teilweise ausleben durfte und auch die Freiheit genoss in Wald und Wiesen rumzustreifen – da ist heute nichts mehr damit.

Auch die Großeltern schieben schon Panik, wenn die Kids alleine auf dem Spielplatz sind oder Abends (17-18 Uhr) alleine nach Hause gehen dürfen.

Beachte: das sind die gleichen Leute, die uns Kinder damals stundenlang alleine im Wald rumtollen ließen oder uns Abends um 20 Uhr endlich von draußen reinpfiffen.

Auch waren wir damals kaum zu bändigen und ich glaube unsere Eltern hatten teilweise ihre liebe Not uns ins Haus zu bringen. Sommer wie Winter.

Und heute:

Heute habe ich meine Mühe und Not die Kinder raus zu bringen. Dabei gehen sie ja auch gerne raus – wenn sie einmal draußen sind. Bei uns in der unmittelbaren Nähe sind Wald und Wiesen und viel Natur. Doch von selbst gehen sie da nie hin. Sie sind auch noch nie auf die Idee gekommen Kaulquappen zu suchen und wie wir dann zu züchten. Meine Kinder bewegen sich auch gerne, doch gehen sie nur nach mehrfacher Aufforderung auf den Spielplatz oder fahren Rad etc.

Doch woran liegt das?

Diese Frage stelle ich mir seit dem Film immer wieder.

Ich glaube es liegt einerseits an der heutigen Zeit. An die Angst der Eltern und der Großeltern, dass etwas passieren könnte. Wir durften damals alle ohne Helm fahren, sind beim Bulldog mit hinten drauf gesessen und und und. Dies ist heute nicht mehr so. Versteht mich jetzt nicht falsch, der Radhelm ist was tolles und sinnvolles und meine Jungs tragen auch immer einen. Doch diese Vorsichtshaltung bremst auch.

Denn bis der Große die ganzen Schoner fürs Rollerskaten an hat, ist die Lust schon oft wieder vorbei.

Zum anderen:

Die Anforderungen an die Kinder selbst sind gestiegen:

Heute Sport, Morgen Gitarre, dann bitte noch täglich lernen, damit keine schlechten Noten kommen und im Haushalt helfen und und und. Es sind auch ziehmlich viele Termine die so ein Kind hat. Ich glaube ich hatte nicht so viele – gut ich war auch mir mehr selbst überlassen. Da sind meine auch schon verwöhnt, denn ich bin doch immer für sie  da.

Und zu guter Letzt:

Die Kinder haben mehr Möglichkeiten etwas zu tun. Die hatten wir früher nicht. Es gab keinen Computer, Playstation, Wii, Gameboy bzw. Nintendo etc. Die Kinder wissen doch oft gar nicht, wann sie alles machen sollen, was sie gerne machen möchten. Dazu kommen noch die traditionellen Kinder“aufgaben“ wie spielen, lesen, erforschen, toben.

Irgendetwas bleibt immer auf der Strecke.

Jetzt versuche ich schon immer, das wenn dann eher der Nintendo auf der Strecke bleibt, Wii und Playstation haben wir schon gar nicht mehr. Doch das ist oft leichter gesagt als getan. Jetzt habe ich zwar das Glück, dass sie sich gerne bewegen (Hatte ich das schon gesagt? Ich bin immer froh drüber) und ich keine Stubenhocker habe. Doch Spaß an der Freude kommt halt auch oft mit der Freiheit.

Ich versuche schon immer ihnen die Freiheit zu geben, doch was soll ich tun, wenn sie diese Freiheit nicht annehmen wollen? Ich kann sie ja nicht zwingen.

Freunde von uns sind sogar soweit gegangen einen eigenen Wald zu kaufen. Deren Kinder gehen da auch gerne hin und machen dort tolle Sachen. Nicht nur auf Bäume klettern, nein sie bauen richtige Burgen mit alten Paletten. So richtig toll zum reinsetzen (auch für Erwachsene) Wege, Feuerstelle und Blumenbeete.

Jetzt kann aber nicht jeder hingehen und einen eigenen Wald kaufen. Und auch nicht jeder hat die Möglichkeit alte Paletten einzusammeln und den Kindern zur Verfügung zu stellen. Wir haben immerhin die Möglichkeit die 20 km zu fahren und auch in den Wald zu gehen, doch muss die Initiative für solche Bauwerke etc. wirklich von den Kindern aus kommen.

Denn nur dann macht es richtig Spaß und bedeutet auch etwas Freiheit und die Kinder lernen daraus. Die Burg wurde übrigens von 14-jährigen alleine gebaut, ohne Papa und ohne Mama.

Überlegt mal, was die dabei alles gelernt haben, angefangen von der Statik, bis zur Raumaufteilung etc.

Hier nun mein Appell an alle Kinder und Eltern:

Nicht immer nur Sicherheitsdenken, sondern auch wieder mehr Freiheit. Na und, dann ist halt mal ein kleiner Unfall irgendwo passiert, doch ist gerade der Straßenverkehr noch viel gefährlicher und Unfälle passieren auch in „ungefährlichen“ Situationen. Lasst den Kindern wieder mehr Freiraum.

Freizeit heißt frei sein und das zu tun, was man tun will.

Aber es ist für uns Eltern so unheimlich schwer. Schwer loszulassen und schwer Vertrauen zu haben. Vertrauen, dass nichts passiert und alles gut geht. Vertrauen, dass unsere Kinder nichts anstellen und wir es wieder ausbaden müssen.

In der heutigen Zeit fehlt leider das Verständnis für Kinder, die etwas Anstellen, bzw. die die Eigeninitiative ergreifen. Da wird mit Schneebälle geworfen, einer verirrt sich auf die Straße zu einem Auto und schon wird die Schule verständigt und als Mutter bekommt man von dem getroffenen Autofahrer (selbst Vater) einen Anruf, was böses das Kind wohl angestellt hat.

Bleibt locker Leute! Das sind Kinder, die sollten sowas noch dürfen.  Wir waren nicht besser!!!!!!!!

Ergänzung:

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10 Kommentare

  • Frau_Mahlzahn

    Ich finde nicht, dass früher alles besser war. Immerhin waren wir auch sehr viel uns selber überlassen und ich kann mich auch nicht erinnern, dass man viel auf unsere Bedürfnisse eingegangen wäre. Andererseits stimmt es aber auch, dass es unsere Kinder heute nicht leicht haben, müssen sie doch in der Regel die Stundenpläne von Erwachsenen leben und sind durch und durch durchorganisiert. Da bin ich froh, dass meine Kinder durch meine Entscheidung, zu Hause zu bleiben, viel mehr Freiräume haben.

    Wenn Du übrigens mal eine Weile in dem Blog mitgelesen hast: http://freerangekids.wordpress.com/ kommst Du schnell zur Überzeugung, dass wir in Deutschland respektive Österreich in einem regelrechten FreeRange Himmel leben, ;-).

    So long,
    Corinna

  • Fabian

    Ich denke immer an die Worte meines Großvaters, bei diesem Thema… „Früher war nicht alles besser, früher war alles Scheiße!“ (O-Ton, er ist Jahrgang 1934. Natürlich gab es früher andere Freizeitbeschäftigungen die mehr Bewegung und Aktivität voraussetzten, aber diese Möglichkeiten stehen Kindern heute auch frei und dazu noch mehr! Auch Videospiele können vernünftig begleitet einen Beitrag zur kindlichen Entwicklung sein,wenn diese von den Eltern begleitet werden.
    Auch das Sicherheitsgefühl mag früher besser gewesen sein, aber liegt dies nciht auch an der anderen Informationsdichte? Die Statistik zum Kindesmissbrauch zum Beispiel wird heute anders diskutiert, man weiß heute einfach etwas mehr, was passiert und dass ist wichtig ! Früher passierte es auch, nur hat man nciht drüber geredet.

    Ich bin übrigens ah „opfer“ einer Medienkindheit, ich hab aber auch noch Burgen gebaut 😀 Trotzdem schön,d ass du das Thema ansprichst.

    • Mella

      Hm, vielleicht muss ich ergänzen, dass heute die Eltern mehr gefordert sind, damit die Kinder alle Möglichkeiten, die sie heute haben ausschöpfen können. Es war ja wirklich oft so, dass wir früher, so etwa die 80er viel alleine waren. Meine zwei sind heute wirklich in der Hinsicht verwöhnt, es sind keine Schlüsselkinder.

      @Fabian, Du hast sicher recht, dass die Informationsdichte heute höher ist. Deshalb ist ja auch das Sicherheitsbedenken höher. Leider auf Kosten der „Freiheit“.

      @ Frau Mahlzahn Toller Link, ich habe nach der ersten Seite wieder weggeklickt. Das ist ja schrecklich!

    • Mella

      oh ja, wir haben auch die alten Serien wieder entdeckt. Nun bin ich verzweifelt auf der Suche nach McGyver (zu einem vernünftigen Preis). Die Kids sind alt genug dafür – und dann kommt die Zeit in der die Hosentaschen mit Klebeband, Taschenmesser, Gummiband etc. gefüllt sind.

      Da gab es noch Helden – Schmelz

  • Freundin A.

    …ich glaube die Aussage: „früher war alles besser und früher war alles schlechter“ trifft es am ehesten. Sicher konnten wir in der Freiheit rumtollen (zumindest meine Schwester, ich und die Kinder in dem Dorf in dem wir lebten – wir hatten eine richtige Astrid Lindgren Kindheit 😉 und auf den Dörfern war es ja noch so, das die Mütter hauptsächlich daheim waren, zumindest die, die ich kannte)- doch gab es auch schon „früher“ – vor ca. 20-30 Jahren – auch schon Großstädte mit Häuserblocks und wenige Rasen, wo Kinder nicht einfach mal in den Wald laufen konnten. Wo Glasscherben rumlagen und kaputte Zäune an denen man sich super verletzen konnte.(Ein kleiner Lesetipp: Wie haben wir das Überlebt? von Anonymus und Michael Paetow)Zudem die ganzen Förder- und Forderangebote gab es „damals“ alles nicht. – Eins hat sich aber sicher geändert: die Eltern werden viel mehr in der Erziehung bzw. Freizeitgestalltung der Kinder eingespannt als früher. So erhalte ich schon mal einen oder eher mehrere böse Blicke wenn ich den Gedanken äußere ein Kind mal alleine spielen zu lassen wärend ich sauge/abwasche/aufs Klo gehe/lese… Aber, dass Autofahrer früher entspannter mit ihrem „Heiligen Gral“ waren – hm, das glaub ich nicht, gut es wurde die Schule nicht eingeschaltet – aber das lag auch daran, dass in unserem Dorf jeder jeden kannte und genau wusste: AH! das ist die Kleine Freundin A. und der Kleine XY oder wer auch immer und konnte direkt die Eltern ansprechen. – Ja ich muss sagen, auch ich, als stolze Autobesitzerin würde wollen, dass dem Kind klar gemacht wird, wie gefährlich so ein Schneeballwurf auf ein – speziell – fahrendes Auto sein kann. Der Autofahrer erschrickt (wenn ich fahre ganz sicher) und kann die Kontrolle übers Auto verlieren.

    Auch bleibt zu überlegen, dass man oder die eigenen Kinder immer und überall alles mitmachen müssen. Ich glaube, dass ist so ein Gesellschaftsding, dass der Mensch Dinge, die er tut, nicht gerne alleine tut und die Bestätigung braucht, wenn es soundsoviele auch machen ist es richtig …und ja, ich muss sagen als ich eine Freundin kennengelernt habe und herausgefunden habe, dass sie – genau so wie ich – stundenlang (und ich MEINE STUNDENLANG) fernsehen kann und genau wie ich ihre Serien ansehen kann ohne eine Pause – da habe ich mich besser gefühlt und nun tun wir es öfters gemeinsam und freuen uns, dass wir nicht alleine sind *g*
    So, die Arbeit ruft, meinComment ist lange genug – ich tu‘ was alle tun: in die Arbeit gehen eine schönes Wochenende

    • Mella

      @Freundin A.
      Der Vater hatte mich ja auch angerufen und dass ein Anschiss fällig ist, ist ja auch klar. Doch die Verhältnismäßigkeit stimmt nicht mehr. Das wird nicht mehr intern geregelt, sonder es geht alles seinen offiziellen Weg.

      Ich hätte das Kind angehalten und ihm erklärt, was ich für einen Schreck gerade bekommen habe und dass das sehr gefährlich sein kann.

      Der Vater hat das Kind angehalten, nach Name und Telefonnummer gefragt und dann die Schule informiert und nach dem Gespräch mit der Rektorin mich noch informiert. –
      das hätte es früher nicht gegeben.

  • mamaschatz

    Oh Mella, da sagst was. Wir sind echt oft schon am Verzweifeln und überlegen, was wir falsch gemacht haben. Mir kommt es immer so vor, als würde unsere Tochter ihre Kindheit gar nicht richtig leben. Es ist für mich so unverständlich, dass man die Kids auffordern muss, mal rauszugehen oder auffordern muss, mal ihre Freunde wenigstens anzurufen. Wo bleibt der ganze Unsinn, den man früher angestellt hat? Sind unsere Kinder schon kleine Erwachsene? Viel zu vernünftig? Ich war letztens richtig glücklich, als sie endlich mal einen Mist gebaut hat und mit der halben Klasse bei der Direktorin antanzen musste. (haben gaaaanz viel Schnee auf die Heizung im Schulhaus gelegt 😀 )

  • Jennelein

    Marcus, du sprichst ein sehr interessantes Thema an, ich finde nämlich, dass man die Zeichentrickfilme die damals liefen und die heute laufen, gar nicht miteinander vergleichen kann. Wenn man mal durch die ganzen Kinderkanäle schaltet, fragt man sich wirklich, wo sind die ganzen tollen Zeichentrickfilme geblieben? Es gibt kaum noch welche die gemalt sind. Die meisten sind im 3D Stil gehalten und ich finde, dass bringt einfach nicht mehr dieses schöne Feeling rüber, das man damals selber als Kind beim Fernsehen gucken hatte.

    Und dass die Kids nicht mehr so oft rausgehen und sich mit ihren Freunden treffen wie wir es damals getan habe, liegt glaub ich oftmals daran, dass sie mehr Zeit mit dem Computer verbringen.
    Die Gesellschaft und somit natürlich auch unsere Kinder, greifen immer mehr zu Medien, es wird einfach immer mehr im Alltag intrigiert. Traurig, aber wahr.

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